Die Geschichten des Triathlons in Europa und beim DSW sind eng miteinander verbunden.
Gegen Ende des letzten Jahrtausends, genau ab 1982 fanden die ersten Triathlonwettkämpfe in Deutschland ihre Veranstalter und Anhänger. Die in und um Darmstadt aufkeimende Triathlonbegeisterung begann mit dem 1. Traisathlon im September 1983. 1984 wurde erstmals der Datterich Ultra (Mannschaften mit 10 Athleten/innen je 380m Schwimmen, 18km Rad und 4,2km Laufen) im und ums Hochschulstadion ausgetragen.
Am Heinerfestsonntag (1. Juliwochenende) 1984 wurde der Große Woog zum Taufbecken der DSW1912 Triathlontrainingsgruppe. Geplant und veranstaltet wurde dieser von der TH (heute TU) Darmstadt, DSW, ASC und VC Darmstadt. Das Darmstädter Echo schrieb über die Heinerfesttriathlonpremiere im Sportteil der Montagsausgabe u.a. in der Unterüberschrift: „Beobachtungen bei einem ungewöhnlichen Dreikampf“.
Diese DSW Trainingsgruppe, allen voran Christian Hildebrandt, beeinflußte zusammen mit Dieter Bremer, Roland Joachim und Frank H.Schatz die Entwicklung des deutschen und europäischen Triathlons maßgeblich. Zuerst gab es zwei konkurrierende Triathlonverbände: der leistungsorierentierte DTV (Deutscher Triathlon Verband) und der breitensportfördernde DTrB (Deutscher Triathlon Bund). Anfang 1985 fusionierten diese zur DTU (Deutsche Triathlon Union).
Die ersten Geschäftsstellen sowohl der DTU als auch der ETU befanden sich örtlich in Pfungstadt. Gesamtheitliche und wissenschaftliche Komponenten zur Triathlonszenenentwicklung in Deutschland und Europa kamen vom TVDÄ (Triathlonverein der Ärzte und Apotheker) aus Hanau.
Triathlon gekonnt in seinen gesamten Lebenswandel einzubauen, wurde allen Athleten/innen immer wieder nahe gebracht. Ernährung, Schlaf-/Wachrythmus, Training und Erholung, Zeiteinteilung, realistische Selbsteinschätzung, usw. wurden mit dieser neuen Sportart bewußt verbunden. Das Interesse am Triathlon nahm schlagartig zu.
Triathleten/innen von heute, wären Sie 1984 an der Wechselzone (Schwimmen → Rad) des Heinerfesttriathlons vorbeigekommen, hätten diese wohl für den unaufgeräumten Radabstellplatz für Schwimmbadbesucher gehalten. Einzig die vielen unförmigen Helme hätten Grübeleinheiten ausgelöst.
Die Wettkampfausrüstung ist noch übersichtlich: Badehose, Turnhose, Turnschuhe, kurzärmeliges Hemd, Fahrrad (Streber mit Schaltung, Rennlenker und Pedalkäfig), Helm und Handtuch. Von Materialschlachten mit Zeitfahrmaschine, Neopren, Einteiler, Radschuhe, Kohlehydratgel, … träumte der Dreikämpfer damals noch. Lag die Wassertemperatur unterhalb 21 Grad, wurde die Schwimmstrecke verkürzt.
Meine Erinnerung hierzu: eine von 1200 auf 800 (oder 600 ?) Meter bei 16 Grad warmem Wasser verkürzte Schwimm-distanz in Eschwege. Umkleiden in be-heiztem Zelt. Es dauerte einige Zeit bis die Zitterfrequenz von Händen und Füßen zum Überstreifen der obligatorischen Socken harmonisiert war. Hierbei wurde mir klar, daß eine gewisse | |
masochistische Neigung für eine dauerhafte Triathlet-begeisterung hilfreich ist. Der Begriff des Eisenmannes kommt wohl auch aus dieser Zeit. |
Der/die Triathlet/in hat eine große Bandbreite zur Verfügung wie weit er/sie den Triathlon sein Leben vereinnahmen läßt. Von ab und zu mitmachen, bis zum ultimativen Motto: „Life ist easy: swim, bike, run, eat, sleep.“ ist alles möglich.
Nachfolgend noch einige Informationssplitter aus den Gründungstagen (Quelle: DSW-Vereinsheft 1984):
Nachdem der Marathonlauf, bzw. 100 km-Läufe nicht genug für die Belastung des menschlichen Körpers sind, kamen einige unserer Gattung auf die Idee eine neue Wettkampfform einzuführen: Triathlon…
- „Der Triathlet im Wettkampf schwimmt normalerweise weiter als ein Schwimmer im Becken, und er schwimmt ohne Hilfe von Bahneinteilungen und Linien am Beckenboden, an denen er sich orientieren könnte….Eine der wichtigsten Fertigkeiten, über die der erfolgreiche Schwimmer im offenen Wasser verfügen sollte, ist die Kunst des Geradeausschwimmens.“ (Zitat aus Triathlet,84.09,Paul Asmuth)
- Statistische Angaben über den Triathleten als solchem in dieser Entstehungsphase gibt es aus der Schweiz von Markus Zehnder. Er wertete die Teilnehmer der A-Kategorie des Swiss Triathlons 1984 aus: der statistische Schweizer Triathlet 1984 ist männlich, 35 Jahre jung, verheiratet, hat 1,5 Kinder, ist 178 cm groß und 73 kg leicht. Insgesamt trainiert der statistische Triathlet 520 Stunden im Jahr. Innerhalb dieser Wohlfühlzeit legt er 80 km im Wasser, 3300 km auf dem Velo (Rad) und 1460 km laufend zurück. Seine schwächste Disziplin ist das Schwimmen, die stärkste das Radfahren. Er trainiert 4 -5 mal pro Woche, meistens abends und natürlich mit Freude. Seine Passion läßt sich gut mit Familie und Beruf vereinbaren.
- Untrennbar scheint der Evergreen Windschattenfahren mit dem Triathlon von Anfang an verbunden. Hier schreibt Gernot Braun in seiner Triathlon Jahresbilanz 1984 im Spiridon Vereinsheft unter der Absatzüberschrift Typen: … Festzustellen ist auch, daß es Athleten gibt (sind es wirklich Athleten?), die sog. „Windschattentriathlons“ geradezu suchen, und die regelgerechten Wettkämpfe meiden. Daß fast uneingeschränkt alle Spitzenleute (und viele dahinter) diese Wettkämpfe meiden, gibt zur Hoffnung Anlaß, daß diese Veranstalter zum Nachdenken angeregt sind.
- Aus dem Gespräch eines DSW Triathleten der „ersten Stunde“ als dieser von einem Wettkampf nach Hause kommt:
Oma: „Was machst Du denn jetzt für einen Sport, daß Du so ferddisch glücklich aussiehst ?“ DSW Triathlet: „Triathlon.“
Oma: „ Bub, mußt Du jetzt aach noch schieße?“
Hier eine kleine Auswahl aus dem 3. Entwurf der Sportordnung der kurz vor der Gründung (Fusion DTV und DTrB) stehenden DTU vom 10.11.84:
- Triathlon ist ein Ausdauerwettkampf. Triathlon ist ein Einzelwettkampf, er besteht aus Schwimmen, Radfahren und Laufen. Diese Reihenfolge ist bindend. Der Wettkampf ist ohne Unterbrechung der Zeitnahme durchzuführen….
- Die Einzelteilstücke müssen sich wie 1: 3-50: 9-11 (R = 3-50 x S, L = 9-11 x S) verhalten…
Schwimmen: |
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Radfahren: |
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Laufen: |
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Der DSW bot dem/n Triathlen/innen die besten Trainingsmöglichkeiten:
- Schwimmleistungszentrum mit Hallen- und Freibad,
- das Radfahrerparadies Odenwald und
- Laufen in der grünen Lunge Darmstadts.
Dies zusammen mit der finanziellen Unterstützung „eines Sportartikelherstellers, der seine Deutschlandzentrale vor den Toren Darmstadts hatte“ (O-Ton Darmstädter Echo 1985) lockt viele ambitionierte Triathletinn/en (u.a.. Monika Lövenich, Jochen Basting, Hermann Kramer, Marcus Wucherer) zum DSW Nike Team. Dieses wurde in den frühen Tagen zu der „Triathlonmacht“ in Deutschland. Das mannschaftliche Auftreten der DSW Triathleten bei Wettkämpfen in dieser Zeit ist richtungsweisend für die Entwicklung des Triathlon.
Mein neues Triathlonhobby ließ mich 1987 ein nicht mehr vorhandenes Stück deutscher Geschichte erleben: die 1. Deutschen Triathlon AK Meisterschaften, irgendwo hinter dem „Eisernen Vorhang“, in Berlin/Spandau. Die Eindrücke von An- und Abfahrt über den Autobahnkorridor durch die ehemalige DDR, und der Besuch von Ostberlin (dort mußte der Triathlon noch 3 Jahre warten) sind mir unvergessen. Die Meisterschaft als solche war ähnlich, wie viele Triathlons in den frühen Tagen: chaotisch. Nicht nur das Improvisationsvermögen des Veranstalters, sondern auch der/s Teilnehmers/in war ständig gefordert. Keine/r machte sich was draus. Der Spaßfaktor überwog alle Unzulänglichkeiten. Der Nike Slogan 1987 hieß ‘Just do it!’.
Zeitgleich mit der ITU (Internationale Triathlon Union) in Lausanne wurde im März 1989 eine eigenständige Triathlonabteilung innerhalb des DSW gegründet. Zum 1. Abteilungsleiter wurde Wolfgang Tatzel gewählt. Ab 1993 hatte Roland Joachim das Triathlonruder innerhalb des DSW in der Hand.
Vor 1989 war der DSW nur Mitveranstalter. Jetzt wurden erste eigene Triathlonveranstaltungen organisiert und durchgeführt. Im Mai 1989 fand die Premiere des Bürgerpark Nord Triathlons statt. Am Anfang noch mit der JS GmbH als Co-Veranstalter. Dieser bis heute erfolgreiche Wettkampf war – auf engstem Raum – auf Einsteiger, Kinder und Jugendliche abgestimmt. Apropos Jugendliche und Kinder in der Triathlonabteilung: die Jugendarbeit wurde bereits in diesen frühen Jahren angedacht.
Der CityCup, als 2. Veranstaltung der DSW Triathlonabteilung wurde 1990 zusammen mit der Durchführung eines Europacupwettbewerbes aus der Taufe gehoben. Führte die Premiere noch mit 2 Radrunden außerstädtisch über Roßdorf, war der 2. CityCup ein Jahr später der 1. rein innerstädtische Triathlon weltweit. Schwimmen im Woog, 4 Radrunden mit den Eckpunkten Grenze zu Roßdorf und dem Cityringtunnel, 5 Laufrunden durch die Fußgängerzone. Wechselzone und Ziel war der Marktplatz. Welch ein Erlebnis, mit dem Rad hinab in den abgesperrten, dunklen Citytunnel zu kurbeln. Um dann, begleitet nur von röhrenverstärktem Kettengerassel und Scheibenraddröhnen, dem Tageslicht entgegen zu steuern. Übrigens der Sieger bei diesem CityCup hieß Simon Lessing und startete für das DSW Nike Team. Bleiben wir bei berühmten Namen dieser Zeit: Mark Allen startete ebenfalls für das DSW Nike Team.
Beim zusammenstellen und abfassen dieser vor gut 25 Jahren beginnenden, und mit 1994 endenden Triathlonentwicklung innerhalb des DSW erschien mir die Veränderung der Sportart Triathlon gewaltig. Jetzt am Ende, betrachte ich diese zusammen mit den Entwicklungen des Umfeldes in Deutschland und Europa, bin ich nicht mehr so überwältigt.
Ewald Frankenberger