Triathlon Team DSW Darmstadt

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Der ultimative Rennbericht von Felix Schwarz über die Finals 2022 in Berlin

Dienstagmorgen sieben Uhr und fünf Minuten. Mein, des Lebens müde, iPhone 5 kitzelte mit letzter Kraft eine Vibration aus sich heraus, die mich aus meinen tiefsten Träumen über den nackten, ölbeschmierten Oberkörper von Fabian Kraft reißen sollte. Doch bevor auch nur eine zweite Vibrations-Welle aus dem verbeulten Aluminiumgehäuse dringen konnte, befand sich dessen Hörmuschel bereits an meinem Ohr und meine erwartungsfreudige Stimme entglitt mir, mit den Worten „Bonjour Monsieur, was gibt es“, durch die Lippen.

Am anderen Ende der Leitung befand sich kein geringerer als der CEO des DSW Darmstadt, Lieblings-Franzose aller Südhessen, Saarländer und Franken und einziger Mensch, bei dem das Halten von Augenkontakt im Tête-à-Tête sowohl Glücks- als auch Schwindelgefühle ausruft: Thomas Hauck-Pignède (nein für die richtige Schreibweise des Namens musste ich nicht seinen Strava-Namen copy-und-pasten).

Die Causa des verbalen Aufeinandertreffens war mir zum beschriebenen Zeitpunkt noch unbekannt. Lediglich eine Emoticon-lose Nachricht über einen bekannten Messenger-Dienst am Vorabend deutetet auf erhöhte Wichtigkeit hin. Den ebenso am Tag zuvor eingegangen Anruf konnte ich aufgrund mangelnder Handy-Affinität und Lebenslust für Realität und Freunde im hier und jetzt nicht direkt entgegennehmen. Ein zeitnaher Rückruf meinerseits gegen die nächtliche erste Stunde nach Tageswechsel nahm der schwarzhaarige Vergebene auch nach zweifacher Wiederholung nicht entgegen. Das nächtliche Schmausen mit der Gattin schien wohl höher im Kurs zu stehen als ein Schwatz mit mir. Prioritäten sollten dringlichst überdacht werden!

Da stand sie nun die Leitung zwischen Darmstadt und Mannheim und Thomas erläuterte mir, mit Rücksicht auf die frühe Tageszeit, ohne viel Geschwafel, in seinen gewohnt-präzisen Satzgebilden, die Thematik auf den Punkt. Ich starte am Wochenende in Berlin bei den Finals.

Nicht zu zähmende Euphorie floss durch meine Adern und grüßte die abendlichen Alkoholrestbestände. Mein Körper begann vor Freude zu zittern, sodass lediglich Zahnbürste in die Hand nehmen und Armanwinkeln ausreichte, um meine Zähne in französischem Weltkriegsflaggen-weiß erstrahlen zu lassen. (Andere Vergleiche wären an der Stelle zwar möglich, aber nicht jugendfrei und angebracht gewesen.)

Drei Jahre ohne Wettkampf, zwei Jahre und 10 Monate ohne Schwimm- und Radtraining. Mit zugelegten fünf Kilo seit Karriereende und sicher nicht untertrainierter Leber sollte also das große „Comeback des Jahrzehnts“ stattfinden. Ich war gespannt wie die Bögen der Schützen, die neben der Berliner Triathlon-Wettkampfstrecke ihrem Hochleistungssport bei den Finals nachgingen.

Thomas wuchs beim Gedanken an den ersten Hobby-Athleten in der Bundesliga innerhalb von wenigen Stunden über sich hinaus (was nicht so schwer ist, so groß ist er ja nicht). Er organisierte wirklich alles! Vom Anzug über dessen Bedrucken bis hin zu jeglicher Teambekleidung. Dafür ein FETTES DANKESCHÖN, dass so fett ist, dass man sich schämen würde, es seinen Freunden als +1 vorzustellen.

Anreisen durfte ich dann freitags mit meinem Lieblings-Doppelzimmer und Road-Trip-Partner: Fabian – Mr. First und manchmal Second Man out of Water – Kraft. Die Anfahrt nach Berlin war, trotz des Leopard zwei Panzers meines Vaters, in dem wir fahren durften, sehr entspannt, was für das spätere Rennen entscheidend war. Denn wenn ich eines in meinen vielen Jahren im DSW gelernt habe, dann ist es, dass es umso weniger weh tut, je entspannter man ist.

Wir erreichten die DSW-Base gegen Abend des 24. Juni. Normalerweise würde ich zu solch einer Zeit schon lange in einer Kneipe mein Leben in vollen Zügen und Schlucken genießen – speziell an einem solchen Wochentag, doch ich war wieder Profi-Triathlet, wenn auch nur Teilzeit. Während unsere Betreuer Phille Weber und Scott – die Thot – McClymont (Dickes Danke auch an euch zwei Legenden! Habt ihr genial gemacht!) abendlich für eine Nachfragesteigerung auf dem deutschen Hopfenmarkt sorgten, konnte ich nur sabbernd auf den Entleerungsvorgang der bräunlichen Glasflaschen staunen. Um nun endlich zur Sache zu kommen, wegen der ihr euch meine daher-philosophierten Worte überhaupt durchlest, erspare ich euch weitere Einblicke in das durchaus erotische Zusammenleben in der DSW-Suite.

Der Wettkampftag. 6:00 Uhr und der Wecker gab sein Bestes von sich. Wach und ausgeschlafen ließ ich kaltes Wasser über meinen, von abendlichen Kuschelvorgängen verschwitzen, Körper laufen. Ein Ritual aus einer Zeit, in der meine Penis-Spitze beim Pinkeln noch zu sehen war und mein Körper mehr als zwei volle Bierkästen auf einmal die Treppe hochtragen konnte. Nach zwei koffeinhaltigen Heißgetränken und drei Bananen, die ich mit je nur einem Zwischenbiss, im Gedanken an den leider nicht anwesenden Thomas Hauck-Pignède, in meinen Magen schlang, fuhr der DSW Party-Bus auch schon ab in Richtung Wannsee. Eingecheckt wurde in zwei Wechselzonen. In beiden wurde mein Name falsch an das Namensschild plakatiert. Ist ja nicht so, als sei man stolz wie Bolle auf ein solches Schild und würde sich jedes einzelne über dem Bett aufhängen. Naja, euer Felix wahlweise „Schüssler“, wahlweise „Schwartz“ machte sich keine Gedanken über solche Schwachsinnlichkeiten, so kurz vor dem Rennen seines Lebens. Mission „ins Ziel kommen“, wie vom Darmstadt-Boss aufgetragen, wurde in diesem Moment gestartet. Leichtes Einlaufen und Hodenbefeuchten im Wannsee ließen den Zeitstrahl kontinuierlich in Richtung Startschuss gleiten. Warm-Up stehts mit dem Gedankenkonstrukt, dass jeder Meter ein entscheidender zu viel sein könnte.

Line-Up in einer 70 Mann Reihe. Jeder einzelne mit einem Fokus, der jede Skala sprengen würde. Instinktiv griff ich unter mich, auf der Suche nach einer biergefüllten Flasche. Doch nein, ich befand mich nicht im Wochenend-Flunky-Ball-Spiel. Enttäuschung. Die „Final Countdown“ Musik ertönte und riss mich zurück in die Realität der Bundesliga. Der Startschuss schloss dann final jeden offenen Tab in meinem Gehirn-Browser. Jetzt zählte es.

Ich rannte los wie Einer, der seit fünf Tagen ohne Bier lebte und auf den im Ziel ein eben solches Getränk wartete. Mit meinen Ortsschild-Sprint-Beinen riss ich mich aus der Athleten-Kette und hatte schnell zwei – drei Kastenlängen Abstand gewonnen. Als erster alle Athleten, die ich einsehen konnte, war ich nun auf Kurs Erste Boje. Doch es gab ein Problem. Ich war blau wie das Meer, voll wie ein Laderaum und dichter als der Nebel von Kap Hoorn. Noch nie waren meine Muskeln in so kurzer Zeit in einem solchen Ausmaß übersäuert. Aber damit hatte ich geplant. „Jetzt maximal 30 Plätze verlieren und du sitzt in Gruppe drei. Los quäl dich du fette Sau!“ schrie ich mich innerlich an. Und so tat ich das auch. Ich schwamm. Ich wusste zu keinem Zeitpunkt, wo ich mich auf der Schwimmstrecke befand. Noch nie sah ich das Feld von so weit hinten. Ständig überschwammen mich Athleten und die Anzahl dieser schien unendlich. Ich fühlte mich wie Mufasa, als er von Scar in die Schlucht geschmissen und von einer Herde Gnus überrannt wurde. „Lang lebe der König“.

Noch nie hatte ich innerhalb so kurzer Zeit so viel getrunken, vor allem kein Wasser! Ich kann jetzt verstehen, warum Waterboarding illegal ist. Mein Lebensgeist verließ ca. an Boje 3 meinen Körper. Doch dann geschah es, dass ich in einen Zug gespült wurde, den ich tatsächlich mal halten konnte. Ich wurde aus dem Wannsee gespült wie eine tote Kanalratte. Nur fühlte ich mich schlechter.

Als das Wasser seichter wurde realisierte ich etwas, was ich zuvor nicht zu glauben vermochte. Ich konnte mich noch viel schlechter fühlen. Denn in der Vertikalen ging dann gar nichts mehr. Athlet um Athleten rannte an mir vorbei Richtung Schwimmausstieg. Der wurde dann auch noch, Gott segne den Organisator, durch 79 Treppenstufen mit der 1. Wechselzone verbunden. Ich erinnere mich an drei davon.

Wie in Trance versuchte ich das Team nicht zu enttäuschen und alles Mögliche, sei es noch so wenig, aus mir rauszuholen. Ich sprang auf das Rad und sah ein Hinterrad. Ob mit diesem auch ein Vorderrad oder gar ein Athlet verbunden war, entzog sich meinem Sichtfeld. Ich tat alles, um die Gruppe zu halten. Und es schien als würde ich es schaffen. Als ich für einen kurzen Moment Bewusstsein erfuhr, fand ich mich in einer 15 Mann Gruppe wieder. Doch man erwartete einen Zoll von mir, den ich, wie sich später herausstelle, nicht erbringen konnte. Führung fahren. Eine davon konnte ich mit Limit-Übertretung fahren. Doch als ich aus dieser raus durfte, begann ein Berg. Kurzerhand hatten die Rennorganisatoren die Alpen verlagert und ein Alpenpass musste mitten in Berlin absolviert werden. Ich hatte weiterhin nur meinen vorliegenden Hinterreifen im Blickfeld, doch das Tempo war zu hoch. Von Jetzt auf Gleich gab mein Körper unter völliger Erschöpfung und ohne Mitsprache meines Geistes auf. Er wusste wohl, dass er am heutigen Tag nicht auf dessen Wohlwollen meiner Gesundheit gegenüber vertrauen konnte.

So stand ich. Mitten am Berg. Eine Gruppe davonziehend, keine hinter mir. Ich pedalierte die restliche Steigung hinauf und sah zu meiner Freude doch noch eine sechs Mann fassende Gruppe vom Fuße des einzigen 7-Tausender Berlins auf mich zurollen. Auf den Millimeter abgepasst trafen sie auf mich an der Kuppel und ich ließ mein Gewicht spielen, um mich in die Gruppe zu implementieren. In der Gruppe ging es drei Sportsfreunden ähnlich wie mir. Drei weitere hatten Druck auf den Schenkeln. Bei diesen drei Athleten möchte ich mich hier nochmals für die großartige Windarbeit Bedanken und für meine freche Gammelei entschuldigen. Es ging leider nicht mehr. Danke an Warmuth Kenneth, Fischer Leon und Henes Freddi. Ihr wart geil und seid der Grund dafür, dass diese Geschichte noch einen abschließende Lauf-Teil schildern kann. Ich stehe mit je einem Bier in eurer Schuld! Einlösbar: Immer!

Es ging also auf die Laufstrecke – meine Paradedisziplin. Und erneut stellte ich beim Anlaufen einen noch nie zuvor dagewesenen Erschöpfungsgrad meines Körpers fest. Ich war komplett am Ende, wie eine Post-Credit-Scene bei einem Marvel Film und doch befand sich Nils Huckschlag, dessen Vorbeiziehen meine Platzierung aus der Wertung verdrängen und meinen Arbeitstag beenden könnte, noch immer hinter mir. Nach einem qualvollen Kilometer änderte sich dieser Zustand jedoch zu meinem Vergnügen und ich konnte meine Laufgeschwindigkeit auf ertragbare Quälerei reduzieren. Ich genoss die letzte Runde sogar. Nichts mehr zu verlieren und den Moment genießend ließ ich mich von den Fans tragen. Diese Bestanden zum beschriebenen Zeitpunkt zwar nur aus streckensperrenden Polizisten, mir jedoch gaben sie alles, was ich je von einem Publikum wollte.

Als ich so nach und nach wieder zu mir kam, realisierte ich, dass ein Fahrrad auf der Laufstrecke dicht hinter mir fuhr. Ich dachte mir, wie es sein kann, dass eine Deutsche Meisterschaft, die zudem vom ZDF übertragen wird, so schlecht organisiert sein kann, dass irgendwelche Randoms die ganze Zeit auf der Strecke rumturnen konnten. Als das Rad jedoch jeden Meter auf Schritt und Tritt folgte, merkte ich letztlich, dass es sich um den Besenwagen handelte. Ein ironisches Lächeln entglitt meinen Lippen, was ich in den letztem 45 Minuten für nie wieder möglich gehalten hatte. Als ich die Polizisten ein letztes Mal passierte versicherte ich sie in ihren Hoffnungen und bestätigte: „Ja, Jungs ihr habt jetzt Feierabend!“

Die letzten 400 Meter an den Tribünen vorbei genoss ich wie ein kühles „Nikos“ in der heimischen „Glasbiermetzgerei“. Ich feuerte die Zuschauer nochmal so richtig an und ließ mich wie ein Champion über die Ziellinie tragen.

Nachdem ich nun das größte Rennen meines Lebens bestritten habe, kann ich mit Sicherheit bestätigen, dass ich 2017 die sportlich beste Entscheidung meines Lebens getroffen habe, indem ich dem DSW beigetreten bin. Danke Jungs und Mädels für die geilen Zeiten mit euch!

Ich schreibe diese Zeilen mit einem (nach dem anderen) kühlen Bier in der Pfote. Der Lebenswille ist wieder in meine Glieder zurückgekehrt.
Ich liebe den Hopfen, ich liebe den DSW. Prost!

Euer Felix Schwarz.

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Zitate des Wochenendes (Quasi die Post-Credit-Scene meines Berichts)

  • „Ich zittere schon vom Alkoholentzug. Aber das sind alles zusätzliche Watt auf den Pedalen“
    -    Felix Schwarz
  • „Dem Jungen fehlt eine Niere, wenn der Pissen geht, hat er nen´ Strahl wie ein Kärcher“
    -    Scott McClymont
  • „So fett bist du doch gar nicht“
    -    Benjamin Zwiebel
  • „Dann haben wir mehr Zeit zum Kuscheln“
    -    Jan Bader

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