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Didi Metz beim Trail de Bourbon in La Reunion – oder: wenn’s mal wieder länger dauert ;-)

Es ist in jeder Hinsicht eine längere Geschichte die bereits vor drei Jahren beim Pfalztrail anfing. Ich lief einige Kilometer gemeinsam mit einem Konkurrenten der irgendwann meinte, er würde dies als Vorbereitung auf den Trail in La Reunion nutzen. Da ich auf diese Insel schon immer mal wollte setzte sich der Gedanke fest, dieses Läufchen auch mal in Angriff zu nehmen. Dieses Jahr war es dann soweit und ich meldete mich für die Mittelstrecke, den sogenannten Trail de Bourbon an: 111km, 6300hm hoch, 7500hm runter. Start am 19.10. abends um 21:00, sodaß ich zum ersten mal eine Nacht durchlaufen wollte. Mit der Streckenbeschaffenheit setzte ich mich – da ich bereits einige Erfahrung in den Alpen gesammelt hatte – nicht groß auseinander. Also “Urlaub” gebucht und ab ging es auf die Insel nahe Madagaskar.

Fünf Tage vor dem Rennen angekommen und noch zwei Wanderungen mit meiner Gattin Eggord unternommen – natürlich auf Teilen der Strecke. Hier war dann bereits klar, daß das Geläuf doch deutlich schwieriger als in den Alpen ist – von guten oder schlechten Wanderwegen konnte man hier nicht sprechen. Es handelt sich eigentlich nur um steile und unwegsame Dschungelpfade. Wenigstens das Klima war sehr angenehm, die Temperatur konnte aber Nachts auf 2500m auch bis auf 5 Grad fallen. Nach Durchsicht von ein paar Ergebnslisten der vergangenen Jahre wurde die Zielzeit auf 24 bis 27 Stunden festgelegt – so genau weiss man es ja nie.

Ein Blick in die Startliste sorgte für die nächste Überraschung und zwar die Anzahl der Teilnehmer aus Reunion. In meinem Lauf 1000 und für die Langstrecke “Diagonale de fous” mit 164km und 9500hm nachmal 1500. Das heisst 2500 einheimische Teilnehmer bei einer Einwohnerzahl von 830.000 – unfassbar. Ausserdem war ich der einzige Deutsche Teilnehmer, d.h. ich mußte nur finishen um bester Deutscher zu werden.

Zwei Tage vor dem Wettkampf kam der nächste Teil des Abenteuers – Startunterlagenausgabe aber alles nur in Französisch. Es fand sich aber dann doch immer jemand der drei Brocken Englisch sprach und so bekam ich meine Nummer und viele weiter schriftliche Infos in der mir nicht verständlichen Sprache.

Endlich war es soweit – Wettkampftag. Die Stunden zwischen Frühstück und Aufbruch zum Start ziehen sich. Die letzten Vorbereitungen werden getroffen und dann geht’s zum Bus, der uns zum Startort Cilaos bringt. Die Entfernung sind lediglich 70km aber wir brauchen 4 Stunden – ein kleiner Vorgeschmack zum Thema “wenn’s mal länger dauert”. Auf der in Reunion berüchtigten Strasse der 420 Kurven nach Cilaos herrscht ein unbeschreibliches Chaos. 50 Busse bringen die Starter nach oben durch zum Teil einspurige Tunnels ohne Verkehrsregelung, d.h. first in first out und lediglich 10cm Luft auf beiden Seiten des Busses. In Cilaos angekommen geht es erstmal in die vor-Start Verpflegungsstelle (hatte ich auch noch nie), dann Kontrolle der Pflichtausrüstung (Rettungsdecke, Verband, warme Klamotten, Regenjacke usw.) und dann alle zusammen auf den Sportplatz. Nachdem es während der Busfahrt aus Eimern geschüttet hat und ich bereits fast die Nerven verlor, hat sich das Wetter wieder gebessert und so warten ich die letzten beiden Stunden auf dem Rasen sitzend bei 20 Grad auf den Start. 10 Minuten vor dem Schuß ist Einlaß in den Startbereich und ich ergattere eine gute Position unter den geschätzt ersten 20%.

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Mit Startschuß und Feuerwerk geht es dann mit den Stirnlampen in die Nacht. Hunderte Einheimische feuern uns an. Die ersten 6.5km mit 300hm geht’s auf einer Strasse und einem breiten Fahrweg bergauf, sodaß sich das Feld vor dem steilen Single Trail gut sortieren kann. Dann folgen 1100hm Aufstieg zum Paß, der auf knapp 2500m liegt. Ich reihe mich in die Schlange ein und wir steigen entspannt auf – mein Puls wie geplant immer zwischen 120 und 130. Nach 2h20 oben angekommen sind insgesamt 11km absolviert. Ich liege im Zeitplan. Oben ein kurzer Stop an der Getränkestelle, Armlinge angezogen da es recht kühl ist und weiter gehts.

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Laut Streckenplan folgen jetzt 1500hm Abstieg auf gut 12km. Hört sich eigentlich nach einem angenehmen Gefälle an und auf einem Alpentrail wäre ich in maximal 1h30 unten in Hell Bourg gewesen. Hier zeigte sich aber jetzt die wahre Schwierigkeit der Strecke. Absolut kein Vorwärtskommen. Urwaldpfade mit großen Steinen, Baumstämme quer (drübersteigen oder gebückt drunter durch) und Absätze auf nassem/rutschigen Untergrund im Dunkeln (wobei die Sicht das kleinste Problem war). Selbst für km mit leichtem Gefälle benötigte ich Teilweise 18min. Nach 4h:50 war ich in Hell Bourg und hatte 21,5km geschafft. Jetzt war klar, wenn das so weitergeht wird es ein wirklich langer Lauf.

Nach weiteren 300hm bergab folgte der nächste lange Aufstieg von 1100hm. Die Streckenbeschaffenheite wurde nicht besser und damit mein Vorankommen nicht schneller. Oft mußten die Hände benutzt werden um über die Absätze zu steigen, in Matsch eingebette Aluleitern hoch bzw. runter geklettert und Waserläufe durchquert werden – natürlich ohne Brücke sondern nur über die Steine balancierend. Längere Zeit folgte ich zwei Franzosen, die genau das richtige Tempo für mich hatten. Leider verfransten wir uns an einer schlecht markierten Stelle und mußten nach 10 Minuten wieder zurück da wir auf der falschen Strecke waren. Die 20 Minuten Umweg waren zwar mental hart, spielen aber keine Rolle bei einem solch langen Rennen. Nach 8h schaute ich nach oben und sah am Himmel die ersten Anzeichen von Licht. Meine erste durchlaufene Nacht war somit fast überstanden und in den nächsten 30 Minuten wurde es schlagartig hell. Ich befand mich in einer absolut faszinierenden Dschungel/Berglandschaft und war total geflasht. Immer hoch und runter ging es nach Roche Plate im Mafate Krater. In diesem ehemaligen Vulkankrater leben heute immer noch 900 Menschen und es gibt keinen Zugang mit Fahrzeugen – lediglich zu Fuß oder per Heli zu erreichen. Unglaublich, daß es sowas im 21. Jahrhundert noch gibt. Heisst natürlich auch, daß man auf diesem stundenlangen Streckenabschnitt nicht aussteigen kann. Wenn man sich keine ernsthafte Verletzung zuzieht, die einen Helieinsatz erfordert, MUSS man weiter oder zurück. Von Roche Plate aus erfolgte der – vermeintlich – letzte lange Anstieg zum Gipfel des Maido wo ich endlich auf Eggord zu treffen hoffte. Abgeschätzt hatten wir, daß ich für die 60km so 12 (haha) bis 14 Stunden brauchen würde. Nach knapp 15h kam ich oben an, fühlte mich aber echt gut. Eggord begleitete mich ein paar Meter und wir hielten ein Schwätzchen. Sehr angemehm nachdem ich 15h nur französische Worte gehört und nichts verstanden hatte. Sie teilte mir mit, daß ich auf Platz 266 läge (geschätzt hatte ich 500). Sofort schaltete ich vom Überlebensmodus in den Wettkampfmodus und setzte mir das die Top 200 als Ziel.

Vom 2000m hohen Maido ging es jetzt bis fast ans Meer, 12km mit 1300hm bergab und das zum großen Teil laufbar. In meiner Euphorie endlich mal etwas Geschwindigkeit aufnehmen zu können bretterte ich den Trail runter und machte einige Plätze gut. Nach 2h kam ich mit leicht verhärteten Oberschenkeln unten an und traf Eggord erneut an der Verpflegung. Hier stellte ich einen neuen persönlichen Rekord auf: es gab leckere Mini-Pfannkuchen und ich aß 15 Stück in 5 Minuten (mit Schoko und Käse abwechselnd). Dazu wie an jeder Verpflegung die maximale Menge an Cola und Malzbier. Gut gestärkt ging es nach 17h weiter. Nachdem ich den Abstieg mit 6km/h geschafft hatte, redete ich mir ein, daß der Untergrund jetzt da wir näher am Meer und der Zivilisation waren bestimmt besser wird und ich den Rest von 38km mit 5km/h schaffen könnte. Damit wäre ich nach ca. 25h im Ziel, also voll im Plan. Speziell der nächste Abschnitt mit 350hm bergab auf 3km schien auf dem Papier recht schnell machbar. Ich lief los und benötigte für den nächsten km fast 30 Minuten – ich war fassungslos. Nur klettern und Leitern steigen. Am Meer angekommen folgte ein landschaftlich weniger schöner Aufstieg von 750hm durch ein Baugebiet und Zuckerrohrfelder. Die Sonne brannte auf uns runter und es waren gefühlte 40 Grad. Einige Konkurrenten legten sich in den Schatten um zu Ruhen und abzukühlen. Ich stieg langsam weiter auf. Pulswerte über 110 waren wegen der muskulären Ermüdung kaum noch drin. und Endlich erreichte ich den Punkt an dem es wieder runter ging. Es folgte ein seilversicherter Abstieg durch den Dschungel zurück ans Meer. Man hangelte sich bei 30 Prozent Gefälle auf rutschigstem Untergrund an Seilen und Bambusbäumen festhaltend irgendwie runter in den Ort La Possession.

In La Possession traf ich an der nächsten Verpflegung wieder auf Eggord. Die Sonne war pünktlich um 18:30 wieder untergegangen und so hatte ich die Stirnlampe aufgesetzt. Mittlerweiwar ich 21h:30 unterwegs und 90km waren geschafft. Ich spürte zum ersten mal Müdigkeit aber 21km lagen noch vor mir. Die nächsten 7km sahen auf dem Streckenplan wieder recht einfach aus, es ging einfach mehrmals 100-200hm hoch und wieder runter. Es zeigte sich aber eine neue Variante von schwierigem Untergrund. Die Strecke war ein im Mittelalter zum Transport von Kanonenkugeln angelegter Weg aus großen Kopfsteinen. Ich kam einigermaßen vorwärts merkte aber nach den 7km, daß die Füße (bis dahin ohne Befund) jetzt auch in Mitleidenschaft gezogen waren und sich ein paar Blasen bemerkbar machten. Egal, es lag ja nur noch ein Berg vor mir und so machte ich mich nach kurzer Stärkung auf die letzte Etappe von 12km.

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Die 8km mit 700hm im Aufstieg schaffte ich wie erwartet in gut 2h. Hier war die letzte Verpflegungsstation und insgeheim hoffte ich auf einen technisch einfachen 5km Abstieg ins Ziel. In der Verpflegung sprach mich ein älterer Helfer in Deutsch an und meinte, der Abstieg wäre trocken und daher weniger gefährlich als sonst – mir schwante Böses und so kam es dann auch. Ich wollte nur noch heil und unverletzt unten ankommen und hängte mich an ein Gespann von einem Vater, der auf den letzten Kilometern von seinem Sohn begleitet wurde. Langsam und vorsichtig kletterten wir den Pfad durch die Felswand nach unten. Von hinten herankommende Läufer ließen wir generös passieren. Zeit und Platzierung war komplette Nebensache. Nach weiteren 1h:45 für die 5km Abstieg waren wir unten angekommen (der Sieger benötigte übrigens 38min für die 5km). Eggord erwatete mich und wir liefen die letzten 500m zum Stadion und gemeinsam nach 28h 19min um 01:19 Uhr über die Ziellinie. Ich konnte mein Glück kaum fassen die längste sportliche Herausforderung geschafft zu haben und Eggord besorgte 2 Finisher Bier – dass es sowas Gutes gibt :-)

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Zur Einordung der irgendwie zweitrangigen sportlichen Leistung hier noch ein paar Fakten:

  • Platz 165 von 800 Finishern bei 1500 Startern. 12h Rückstand auf den Gesamtsieger David Hauss
  • Platz 20 in der AK50 mit 8h Rückstand auf den Sieger der AK
  • Durchschnittsgeschwindigkeit genau 4km/h, früher hätte ich 15min/km gesagt
  • Erlebniswert SUPER aber einen solch technisch schwierigen Trail werde ich wahscheinlich nicht mehr machen

Euer Didi

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