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Mutige Stellungnahme, klare Worte!

Sport”Das ist ja Pipifax”
Triathlonprofi Faris Al-Sultan kritisiert die Antidoping-Politik des Deutschen Olympischen Sportbundes
Herr Al-Sultan, hat Thomas Bach schon bei Ihnen angerufen?

Nö, ich glaube nicht, dass ich auf seinem Radar so wichtig bin, dass er mich persönlich anruft.

Sie haben dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am Donnerstag einen Offenen Brief geschrieben, eine kritische Mail zu seiner Antidoping-Politik. Hat niemand aus der Sportpolitik darauf reagiert?

Nee.

In dem Brief machen Sie deutlich: Urin- und Blutkontrollen bei Wettkämpfen und unangemeldete Trainingskontrollen reichen nicht aus.

Wenn man sich die Ereignisse in den letzten Monaten anschaut – in den Sportarten, wo richtig professionell gedopt wird – dann sieht man, dass die Leute nur erwischt werden, wenn es irgendwo eine Razzia gibt. Wenn jemand bei einer Urinkontrolle erwischt wird, dann sind das meist Junioren oder Leute aus Randsportarten, die nicht genug Geld haben, um professionell zu dopen. Die richtig professionellen Jungs kriegt man mit normalen Urinkontrollen nicht und auch nicht mit unangemeldeten Trainingskontrollen. Das ist ja Pipifax.

Würde ein Antidoping-Gesetz helfen, das den Tatbestand der Besitzstrafbarkeit enthielte? Beides wurde am Wochenende bei der DOSB-Sitzung in Weimar abgelehnt.

Was ich nicht will, da bin ich mit Thomas Bach schon einer Meinung: Ich kann einen Athleten nicht zusätzlich in den Knast stecken. Aber ich meine, die Jungs, die dopen, die betrügen ja die, die nicht dopen. Davon gibt’s ja auch noch welche. Insofern muss eine Strafe sein. Was ich eigentlich will, ist, dass die ganzen Hintermänner und das ganze Netzwerk ausgehebelt werden. Mir kommt die Galle hoch, wenn ich Nina Kraft (gedopte Siegerin des Ironman Hawaii 2004) höre, die dann sagt, sie weiß nicht, woher sie ihr Epo hatte. Ist das vom Himmel gefallen? Dass sie damit durchkommt, kann nicht sein. So jemand gehört in Beugehaft, bis er sagt, wo er den Kram her hat. Das funktioniert nur, wenn wir dazu einen Paragrafen im Gesetz haben.

Sie vertreten in Ihrem Brief eine deutliche Meinung, nach welchen Kriterien Sportfunktionäre abstimmen, wenn es um Entscheidungen im Antidopingkampf geht.

Das hat man am Wochenende gut gesehen. Dass man als Funktionär halt lieber einen gedopten Deutschen siegen sieht als einen gedopten Chinesen. Das kann ich verstehen, da reicht es schon, wenn man normaler Fan ist, denn man mag die Leute aus seinem Land ja lieber als die anderen. Wenn wir in Deutschland jetzt ordentlich aufräumen, unsere Athleten sauber quälen, mit Kontrollen und Razzien, dann gewinnen sie am Ende nicht mehr. Tja, das ist natürlich schlecht – als Funktionär betrachtet: Wenn man keine Sieger mehr hat, gibt es weniger Geld, Prestige, Beachtung. Aber wir müssen ja in irgendeinem Land mal anfangen, den Sumpf trocken zu legen.

Glauben Sie, die Funktionäre wissen über die Dopingpraktiken Bescheid?

Es gibt genug, die wissen, was abgeht. Natürlich haben alle ihre eigenen Interessen. Bach will IOC-Präsident werden. Da braucht man Rückhalt im Verband, kann keine Probleme im eigenen Laden brauchen. Schon ist der Kampf gegen Doping auf der Agenda ein bisschen weiter unten. Das finde ich schade.

Schade ist auch, dass Sie bisher der einzige Athlet sind, der sich zum Thema öffentlich äußert. Warum schweigen die anderen?

Ich red’ leicht, weil ich aus einer nicht-olympischen Disziplin komme und in meinem Leben noch nie einen Cent Fördergeld bekommen habe. Ich bin in keinem Kader, und der Herr Bach kann mir wenig. Er kann mir sagen, er mag mich nicht. Mehr wird nicht passieren. Deshalb habe ich einen Vorteil gegenüber jemandem, der sich mit seinen Funktionären gut stellen muss. Auf der anderen Seite haben viele Angst. Die nörgeln zwar, aber wenn es darum geht, öffentlich den Mund aufzumachen, kommt nichts.

Gab es Reaktionen von anderen Athleten auf Ihren Offenen Brief?

Von Amateuren oder Halbprofis aus meinem eigenen Lager oder von Hobbyathleten, die sagen: find’ ich super, cool, toll – wobei ich sagen muss, für die bin jetzt so der Apostel. Die haben aber auch keine Ahnung. Wenn ich mir in den Emiraten, wo ich trainiere und noch nie kontrolliert worden bin, die anabole Steroidkur verpassen würde, würde das keiner mitkriegen.

Wieso vertreten Sie die Athleten nicht im Amt des Aktivensprechers?

Ich bin in erster Linie Profi und muss verdammt viel trainieren. Ich habe keine Zeit, ständig auf Sitzungen abzuhängen. Ich erwarte mir auch nicht viel davon, dass ich diesen Brief geschrieben habe, aber es beruhigt mich persönlich. Wenn es was bringt, um so besser.

Sind Sie enttäuscht von Athleten, die im Antidoping-Kampf öffentlich keinen Standpunkt vertreten?

Ich kann mir vorstellen, dass es einige gibt, die es nicht mitkriegen, anderen ist es wurscht. Die Leute, die selber viel dopen, haben kein Interesse, den Mund aufzumachen, manche wollen sich nicht exponieren. Eigentlich gibt es ja die Funktionäre, die für uns Regeln festlegen und diskutieren. Nur jetzt habe ich den Eindruck, es wird nicht im Sinne des Sports entschieden.

Sie sehen Rechtsgüter bedroht?

Zum einen dieses, dass ich als Athlet ein Recht auf einen fairen Wettkampf habe gegen Athleten, die mit den selben Mitteln kämpfen wie ich. Und als Zuschauer habe ich Anspruch darauf, einen fairen Wettkampf zu sehen. Sonst ist es Show.

Was ist Ihre Forderung an Herrn Bach und die Sportpolitik?

Ich bin kein Jurist. Ich kann kein wasserdichtes Gesetz aus der Hose zaubern. Aber die Hälfte der Mitglieder des Bundestags sind Juristen, und in den Sportverbänden hocken auch genug. Man sollte erwarten, dass die ein Gesetz machen können, das funktioniert. Ich will ein Gesetz haben, das es den Ermittlungsbehörden ermöglicht, natürlich auch auf konkreten Verdacht – wir leben ja in einem Rechtsstaat – eine Hausdurchsuchung zu machen. Dass Trainer, die an Minderjährige Dopingmittel weitergeben, nicht frei herumlaufen, dass Ärzte die Approbation verlieren, die Dopingmittel ausgeben. Ich will, dass Pharmafirmen wie Amgen gezwungen werden, ihr Epo mit Indikator herauszugeben. Wenn die 75 Prozent ihres Epos nicht für den klinischen Bedarf herstellen, fragt man sich, wer es dann kauft. Ich erwarte Maßnahmen von der Politik.

Interview: Karin Bühler

Berliner Zeitung, 12.12.2006

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